Anfang Oktober 2023 lud die Fokolar-Bewegung in Zusammenarbeit mit der Katholischen Erwachsenenbildung in Regensburg zur dreitägigen „Begegnung der Töchter und Söhne Abrahams“ ein. Das Programm beinhaltete persönliche Erfahrungsaustausche in interkulturellen und interreligiösen Begegnungen, musikalische Abendprogramme, Besuche der Moschee und der Synagoge in Regensburg, sowie eine Podiumsdiskussion mit theologischen Referenten aus den drei abrahamischen Religionen.

Gertrud Kilgert, eine Veranstalterin dieser Tagung, berichtete von ihren Erfahrungen aus dem interreligiösen Dialog. Eine einprägsame Geschichte hängt mit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 in New York zusammen. Nach diesem Attentat kam sie mit anderen Menschen zu einem Friedensgebet zusammen, darunter auch Muslimen, woraus sich ein interkulturelles Frühstück entwickelte, welches seit nunmehr 22 Jahren regelmäßig veranstaltet wird. Das Motiv dieser Tagung war die biblische Figur Hagar, die in allen abrahamischen Religionen ihren Platz hat. In der biblischen Tradition wendet sich Hagar in ihrer Not an Gott und bezeichnet ihn als Gott, „der mich sieht“. Gertrud beruft sich auf dieses Gottesbild, wenn sie ihre Erschütterung nach den Anschlägen des 11. September beschreibt.

Weitere Teilnehmer berichteten von ihren Dialogerfahrungen, z.B. die muslimische Lehrerin, die eine lange Freundschaft zu einer christlichen Krankenschwester pflegt. Ihnen sei klar, dass es in religiösen Themen immer Unterschiede geben wird, die für die andere Seite nicht nachvollziehbar sind. Es gehe nicht darum, Recht zu haben. Unterscheide müssten stehen gelassen werden. Aber es gebe auch Gemeinsamkeiten, die beide Religionen verbinden.

An der Podiumsdiskussion nahmen teil Benjamin Kochan (Rabbiner, Religionslehrer), Dr. Andreas Renz (Dialogbeauftragter der Erzdiözese München und Freising) und Prof. Dr. Merdan Günes (islamischer Theologe, Uni Osnabrück). Alle drei Referenten stellten die Rolle Abrahams, sein Glaubensverständnis und die Auseinandersetzung mit seinen Mitmenschen aus den jeweiligen religiösen Perspektiven dar. In einem anschließenden Gesprächskreis führt Rabbiner Kochan weiterhin aus:
Abraham, aus jüdischer Sicht betrachtet, verkörpert die Essenz des Glaubens in seiner reinsten Form. Seine Geschichte ist von einer tiefen Hingabe an Gott geprägt, die so stark ist, dass er sogar bereit ist, sein Leben in würdevoller Gelassenheit hinzugeben. In den jüdischen Texten, insbesondere im Talmud, wird betont, dass es angemessen ist, dass der Einzigartige, Gott selbst, den Einzigartigen, Abraham, rettet. Dies zeigt die besondere Beziehung zwischen Abraham und seinem Schöpfer und unterstreicht seine herausragende Stellung in der jüdischen Geschichte. Eine interessante Facette in der Betrachtung von Abraham ist sein Name “Iwri” oder “Iwrej”, was so viel bedeutet wie “jemand, der von der anderen Seite des Ufers kommt”. Dies bezieht sich auf Abrahams Herkunft und seine Bereitschaft, sich von den Götzendienern seiner eigenen Familie und Gesellschaft zu lösen, um dem Monotheismus treu zu bleiben. Die Familie Abrahams war ursprünglich Götzendiener, doch er stand standhaft in seiner Weltanschauung und folgte dem einen wahren Gott. Insgesamt wird Abraham in der jüdischen Tradition als eine herausragende Gestalt verehrt, die den Glauben an den einen wahren Gott auf eine einzigartige und entscheidende Weise verkörperte. Seine Geschichte ist ein Zeugnis für die Bedeutung des Glaubens, der Bereitschaft, für seine Überzeugungen einzustehen, und der Beziehung zwischen dem Einzigartigen und dem Einzigartigen.

Die Besuche in der Synagoge und in der Moschee in Regensburg gaben Einblicke in jüdisches und muslimisches Leben in einer mehrheitlich christlichen Gesellschaft. Die Gastgeber, Mitarbeiter der jeweiligen Gotteshäuser erklärten die Besonderheiten der Feiertage und der Glaubenspraxis. Deutlich wurde vor allem das soziale Angebot der Gemeinden, von Familienfesten, über Jugendarbeit bis hin zu Bildungsangeboten stellen diese Häuser weit mehr als nur Orte des Gebets dar. Thematisiert wurden aber auch Anfeindungen und Probleme für beide Gemeinden, so beispielsweise die doppeltürige Sicherheitspforte und ständige Kontrolle der Synagoge sowie ein erst kürzlich erfolgter Anschlag auf die Eingangstür der Regensburger Moschee.

An der dreitägigen Begegnung nahmen mehrere Mitglieder und Freunde des Ruhrdialog e.V. teil und es erfolgten anregende Dialoge auf verschiedenen Ebenen.